"Trendbarometer 2023. Ganzheitlicher Ansatz Einbindung Reinigungstechnologie in die Infrastruktur, Prozessketten etc."

Frage 1: Das ablaufende Jahr war auch für die Reinigungstechnik-Branche herausfordernd – Energie- und Strompreise, Lieferketten und Pandemieauswirkungen, um nur einige Stichpunkte zu nennen. Trotzdem verbuchte LPW Rekord-Aufträge – wie ist Ihnen das gelungen?

Gerhard Koblenzer: „Gelungen ist uns das durch den Kurs, den wir schon vor vielen Jahren eingeschlagen haben. LPW wagte vor 15 Jahren den Einstieg in den High Purity-Sektor, speziell in den Bereich der Hochvakuumtechnik. Vor 14 Jahren begann die Ge-schäftstätigkeit in der Medizintechnik und vor 7 Jahren im Umfeld der Additiven Fertigung. Im Herbst 2019 haben wir dann unser reinraumbasiertes Test- und Dienstleistungszentrum am Firmenstandort in Riederich eingeweiht. Das war kein Marketinggag, sondern ein weiterer wichtiger Baustein innerhalb einer langfristig angelegten Strategie sowie die Konsequenz unseres langjährigen Wirkens und Forschens in den verschiedenen High Purity-Segmenten. Bis vor Kurzem hat die Branche damit zwar noch gefremdelt. Doch schlussendlich hat sich unser Kurs ausgezahlt. Wir sind ein gesetzter sowie gefragter Spezialist, der Erfahrung, moderne Technologien samt aller nötigen Prozesse drum rum vereint und sich stetig sowie ständig weiterentwickelt. Daher konnten wir seither auch alle Marktveränderungen, Krisen und sonstigen Herausforderungen durch die starke Nachfrage im High Purity-Sektor und in unseren neuen Geschäftsfeldern Applikationsengineering sowie Lohnreinigung bestens ausgleichen.“

Frage 2: Warum hat die Branche zunächst mit High Purity gefremdelt?

Gerhard Koblenzer: „Die Automobilindustrie und die davon abhängigen Industriezweige stellten über Jahre hinweg die entscheidenden Bedarfsträger für die industrielle Reinigungstechnik dar. Hier sind bis Mitte 2019 hohe Umsätze und Margen generiert worden. Darauf hatte sich die Branche natürlich voll eingeschossen. Also wurden die aufkommenden neuen Anforderungen von den meisten als schlicht nicht wichtig und wirtschaftlich unrelevant angesehen. Wir bei LPW haben die Zeichen anderes gelesen und uns grundsätzlich schon länger mit den generellen gesellschaftlichen sowie industriellen Trends auseinandergesetzt. Also haben wir unbeeinflusst von den Stimmen im Umfeld sehr fokussiert neue Wege eingeschlagen. Zu diesem Zeitpunkt war uns zwar noch nicht klar, wann das alles zum Tragen kommt. Doch uns war glasklar, dass die Umstellung auf die neuen Aufgaben und Herausforderungen Jahre an Vorbereitung erfordern. Heute ernten wir, was wir damals gesät haben. Auch bezüglich unserer CNp-Technologie, die einen wichtigen, aber nicht ausschließlichen Baustein darstellt. Der nun aufkommende Wettbewerb in diesem Segment bestätigt uns noch mehr und zeigt, dass wir weiter in der richtigen Richtung sind und den industriellen Strukturwandel verinnerlicht als auch als kreative Gestaltungsaufgabe verstanden haben.“

Frage 3: Die industrielle Bauteilreinigung ist innerhalb der Oberflächentechnik eine sehr dynamische und innovationsgetriebene Branche. Wo sehen Sie die größten Trends für das kommende Jahr?

Gerhard Koblenzer: „Für die Branche geht es darum in den neuen Segmenten mit den höheren Anforderungen Fuß zu fassen. Etwa in der „neuen“ Automobilindustrie mit Themen wie eMobility, FuelCell oder autonomes Fahren. Die Elektronik-, Chip- und Sensorproduktion ist und bleibt seit jeher sehr dynamisch. Und dann darf man sich noch auf alle Newcomer im Bereich alternative Energieformen und Energieeffizienz einstellen. Doch schlussendlich geht es über alle Branchen hinweg um die Technische Sauberkeit in der gesamten Prozesskette. Denn reinigen allein reicht nicht mehr.

Für uns im Unternehmen bedeutet das, die Prozesse weiter zu standardisieren, Dienstleistungsangebote wie das Applikationsengineering und die Monitorings-Lösungen auszubauen. National wie international. Denn vor den genannten Herausforderungen stehen aktuell alle wichtigen Industriebereiche in den Schwerpunktregionen Europas, Nordamerikas und Asiens.“

Frage 4: Was meinen Sie genau mit „reinigen allein reicht nicht mehr“? Worauf kommt es an?

Gerhard Koblenzer: „Es bedarf neben der geeigneten Technologie auch der begleitenden Unterstützung in der Applikation an sich. Natürlich bleiben die Entwicklung und der Bau qualitativ hochwertiger Reinigungsanlagen inklusive aller verfahrenstechnischen Prozesse weiterhin Kerngeschäft und Pflicht. Allerdings können diese Systeme ihre Leistung nur gänzlich entfalten, wenn sie in die gesamte Prozesskette integriert und die Anwender auf diesem Weg intensiv sowie all-inklusive begleitet werden. Ansonsten wird’s schwer beim Erreichen der Technischen Sauberkeit, gerade bei den aktuellen und aufkommenden Anforderungen.“

Frage 5: Nicht umsonst also wird der Bereich High Purity mit seinen immer höheren Reinheitsanforderungen von manchen als „Königsdisziplin“ betrachtet. Wohin geht hier die Reise und vor welchen Herausforderungen steht die Branche im neuen Jahr?

Gerhard Koblenzer: „Die Königsdisziplin bedeutet, nicht allein eine vermeintlich gute Anlage zu bauen, sondern auch zu wissen, wie diese in einen optimierten Gesamtprozess einzubinden ist. Denn Knowhow steht nicht für eine Theorie, Knowhow steht für gelebte Praxis und gewusst wie. So ist unter anderem auch ein tiefgreifendes Verständnis bezüglich möglicher Quellen der Re- und Cross-Kontaminationseinflüsse im Reinigungsprozess, aber auch in den Vor- und Folgeprozessen, eine Pflichtaufgabe in diesem speziellen Umfeld. Es sind reflektierte Erfahrung und das entsprechende Mindset in allen Unternehmensbereichen – beim Anlagenbauer wie beim Anwender – gefragt. Ein kurzzeitiger Erfolg bei einem Kunden oder ein vermeintliches Zertifikat zu einem Zeitpunkt, sind immer nur Zwischenstationen auf dem Weg zu stetig steigenden Anforderungen. ASML ist wichtig, jedoch nicht die Antwort für andere High Purity-Anwendungen derselben Branche. Wenn Sie also fragen, wohin die Reise geht und welche Challenges für die Branche anstehen, so würde ich dies abschließend wie folgt beantworten: Wir können das Ziel nicht erreichen, da sich das Ziel kontinuierlich wandelt und weiterbewegt …“

Frage 6: Thema Technische Sauberkeit: Auch hier werden die Anforderungen durch die zunehmende Komplexität von Produktionsabläufen immer höher. Wie stellt sich LPW auf diese Entwicklungen ein und wie gelingt ein ganzeinheitlicher Ansatz mit Einbindung der gesamten Prozesskette?

Gerhard Koblenzer: „High Purity und Technische Sauberkeit in der Prozesskette sind bei uns seit über 15 Jahren Bestandteil der Firmen-DNA. Doch darauf ruhen wir uns nicht aus.

Wir forschen und entwickeln inhouse weiter. Zudem engagieren wir uns in entsprechenden Fach-Verbänden sowie Ausschüssen und forcieren viele Entwicklungsprojekte in der Verfahrensentwicklung sowie in den Feldern des Prozessmonitoring. Hinzu kommt der weitere Auf- und Ausbau des LPW-Applikationsengineerings als eigenständiges Geschäftsfeld. Es dient der Prozesskettenoptimierung und -unterstützung, liefert Lösungen zur validierbaren Prozesssimulation und beinhaltet auch die hochwertige reinraumbasierte Lohnreinigung in unserem Test- und Dienstleistungszentrum.“

Frage 7: LPW engagiert sich ja schon seit mehreren Jahren auch auf ausländischen Märkten wie den Vereinigten Staaten. Wie sehen Sie hier Ihr und auch andere deutsche Unternehmen aufgestellt und wie schätzen Sie die künftige Entwicklung auf diesen Märkten ein?

Gerhard Koblenzer: „Nordamerika und Europa stehen vergleichbaren Veränderungen in allen neuen Industrieanwendungen gegenüber. Diese erfordern ein höheres Maß an Technischer Sauberkeit im Prozess sowie deutlich hochwertigere Reinigungsprozesse an den Schnittstellen zwischen der eigentlichen Produktion und dem Ort der Teileverwendung. Reinigungstechnik „made in Germany“ stellt im Ausland ein Qualitätssiegel dar, was deutschen Unternehmen grundsätzlich große Chancen bietet. LPW ist diesbezüglich gut aufgestellt. Ohne Netzwerk und Kooperationen, auch mit Marktbegleitern, geht es jedoch nicht. Zum einen engagieren wir uns zur Wahrung gemeinsamer Interessen durch die Arbeit im Vorstand des Fachverbandes industrielle Teilereinigung (FiT) mit der Verantwortung für internationale Kooperationen. Hier beleben wir gemeinsam die Kooperation mit dem US-amerikanischen Partnerverband MCA. Das beinhaltet die klassische Netzwerkarbeit, gemeinsame Veranstaltungen und die Unterstützung beim Aufbau einer leistungsfähigen Messeplattform in den USA. Zum anderen sind wir als LPW ja schon seit Jahren mit unseren Partnern der Surface Alliance in internationalen Märkten tätig. So stellen wir über unseren Joint-Venture-Partner Washtech in Queretaro/Mexiko einen erfahrenen Service- und Lizenzfertigungspartner in Nordamerika. Und mit der Surface Alliance Cleaning Corp. einen Vertriebs-Ansprechpartner direkt in den USA. In dieser Konstellation konnten wir unter anderem bereits im Silicon Valley unsere Fähigkeiten als High Purity-Partner in der Halbleiter-/Hochvakuumtechnik unter Beweis stellen.“

Frage 8: Wo werden 2023 Ihre unternehmerischen Schwerpunkte liegen? Und was wünschen Sie sich fürs neue Jahr?

Gerhard Koblenzer: „Wir wünschen uns weniger Krisen und dadurch wieder volle Kraft voraus für das, was wir am besten können und wofür unser Herz seit vielen Jahren schlägt. Wir sind fürs neue Jahr gut gerüstet. Die technologischen Voraussetzungen für den Wandel wurden in den vergangenen Jahren geschaffen. Daraus sind eine Vielzahl von Entwicklungsprojekten entstanden, die 2023 ihren Prototypenstatus verlassen werden. Darüber hinaus stehen beispielsweise neue Herausforderungen für übergroße Bauteile im High Purity-Umfeld an. Kammervolumen bis zu 4.000 Liter haben wir schon gebaut. Doch das wird, speziell im Umfeld der Hochvakuumtechnik, nicht mehr ausreichen. Wir entwickeln die zyklische Nukleation auf der Basis des seit vor zwei Jahren erteilten Patentes zu Dynamic CNp weiter und es sind neue Digitalisierungsprojekte in der Mache. Die Fortsetzung der internen Weiterbildungsmaßnahmen ist Dauerthema. Mit der Qualifizierung und Ausbildung von zum Beispiel Applikationstechnikern, kann das bestehende Dienstleistungsangebot deutlich erweitert werden. In Europa steht die Unterstützung der mittelständischen Zulieferer im Fokus. Attraktive LPW-Standardlösungen erleichtern diesen den Einstieg in die neuen „hochsauberen“ Geschäftsfelder. Langweilig wird es uns also nicht …“